Was ist eine Gesamtschule?
Die Gründung von Gesamtschulen führte zu sehr unterschiedlichen Ausprägungen dieser Schulen gleichen Namens. Eine vereinheitlichende Wirkung, allerdings in kontraproduktiver Richtung, entfaltete die KMK-Vereinbarung zur gegenseitigen Anerkennung der Schulabschlüsse. Unter Berufung auf diese Vereinbarung zwangen die Kultusverwaltungen die Schulen – bis auf eine Handvoll Ausnahmen – die äußere Fachleistungsdifferenzierung zu praktizieren, zum großen Teil gegen ihren Willen. Damit mussten sie in ihrem Inneren das tun, was sie als eines der Grundübel des gegliederten Schulwesens ansehen, nämlich die Schüler/innen – vermeintlich nach Leistung – sortieren. Fatalerweise, jedoch nachvollziehbar, blieb den Gesamtschulen in ihrer Mehrheit gar nichts anderes übrig als der offiziellen Schulpolitik zu folgen. Die äußere Fachleistungsdifferenzierung wird vielfach als ein Kennzeichen der Gesamtschule gesehen. Von diesem Korsett haben sich viele Schulen bis heute kaum befreien können. Neuerdings dulden einige Kultusministerien eine abweichende Praxis oder unterstützen sie sogar, meist im Zusammenhang von Neugründungen vollständiger und integrierter Schulen, die Gemeinschafts-, Stadtteil- Ober-, oder (integrierte) Sekundarschulen heißen. Offiziell gilt die KMK-Vereinbarung weiterhin und wird auch immer wieder bei passenden Gelegenheiten als Knüppel aus dem Sack geholt.
Schaut man sich über alle Bundesländer die Merkmale an, die von jeder Schule mit dem Namen Gesamtschule erfüllt werden, so sind es nicht viele:
- Die Schule umfasst (mindestens) die Jahrgänge 7 bis 10.
- Die Schule nimmt im Prinzip jede/n Schüler/in auf (insb. unabhängig von der Leistung).
- Die Schule bietet standardmäßig Wege zu allen etablierten Abschlüssen an.
Mit anderen Worten: Die Gesamtschule ist eine vollständige Schule, die mindestens die Jahrgänge 7-10 umfasst. Weitere Gemeinsamkeiten gibt es über alle Bundesländer hinweg nicht.
Die einzelnen Bundesländer setzen zusätzliche Schwerpunkte und schaffen damit einen je eigenen regionalen Kontext, der unterschiedlich färbt, was unter Gesamtschule verstanden wird. Nicht einmal der Namenszusatz „integriert“ verhindert überall die Einrichtung abschlussbezogener Klassen (etwa in Baden-Württemberg, Hessen oder Thüringen). Es besteht ein beträchtlicher Unterschied zwischen der als Ziel gedachten gemeinsamen Schule für alle und dem Durchschnitt der real existierenden Gesamtschulen, die noch dazu vielerorts eher als zusätzliche Schulform denn als Alternative zum gegliederten System wahrgenommen werden.