KMK-Ländervereinbarung

Die Ländervereinbarung vom 15.10.2020 ersetzt das Hamburger Abkommen.

Wir dokumentieren hier alle Beschlüsse der KMK im Zusammenhang mit der Ländervereinbarung, die Stellungnahme der GGG sowie den bisherigen Briefwechsel mit der KMK zu diesem Thema.

Die KMK-Ländervereinbarung

Die Ländervereinbarung ersetzt das Hamburger Abkommen zwischen den Ländern der Bundesrepublik zur Vereinheitlichung auf dem Gebiete des Schulwesens, das auf das Jahr 1964 zurückgeht. Die KMK verabschiedete in diesem Zusammenhang zwei weitere Papiere.

Das Hamburger Abkommen regelte u.a. Beginn und Ende des Schuljahres, Dauer der Schulpflicht, Lage und Länge der Ferien und Bezeichnung der Notenstufen. Zu den wichtigsten Regelungen gehörten die Festlegung von Schularten (u.a. Grundschule, Gymnasium, Realschule, Hauptschule und Sonderschule) und die gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen.

Die jetzt beschlossene Ländervereinbarung wird ergänzt durch eine Verwaltungsvereinbarurng zur Einrichtung einer Ständigen wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz sowie eine Liste Politischer Vorhaben in verschiedenen Bereichen.

Die Ländervereinbarung besteht aus 44 Artikeln, die z.T. von bisherigen Regelungen abweichen oder neu aufgenommen sind. Im Folgenden wird auf einige geänderte bzw. neue Regelungen eingegangen.

Die Artikel 4 bis 9 behandeln Qualitätssicherung/Standards, curriculare Rahmenvorgaben, Schulleistungsstudien, Bildungsberichterstattung, Bildungsmonitoring, Bildungsstatistik; Gremien und Institutionen, u.a. die Ständige wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz.

Die Artikel 10 bis 14 beschäftigen sich mit Bildungs- und Erziehungszielen, Integration, Inklusion, Lebenslanges Lernen, Lernen in der digitalen Welt. In Art. 10 werden acht Bildungs- und Erziehungsziele formuliert, zu deren Beachtung sich die Länder verpflichten. Bemerkenswert ist, dass sieben der Ziele Persönlichkeits- und soziale Eigenschaften thematisieren. Nicht verwundert hingegen, dass in Art. 12 unter Inklusion auch die Beschulung an einer Förderschule (also Exklusion) verstanden wird. Immerhin wird in Art. 13 das lebenslange Lernen als Aufgabe des Bildungssystems formuliert und die Alphabetisierung und eine Grundbildung für alle als wichtiger Teil der Erwachsenenbildung beschrieben.

Die Artikel 24 bis 26 regeln Beginn und Ende des Schuljahres, Ferien, und die Leistungsbewertung. Nachdem in Art. 26 die traditionelle sechs-stufige Notenskala festgelegt wird, wird eine Öffnung vereinbart, die 15-Punkte-Skala der gymnasialen Oberstufe auch auf andere Schularten und -stufen zu übertragen und in Abs. (3) heißt es gar „(3) Die Länder können außer bei Abschlusszeugnissen andere Formen der Leistungsbewertung vorsehen.“

Der nächste Abschnitt heißt Gliederung und Organisation des Schulsystems (Art. 27 bis 33) und behandelt die Schulstufen und die Schularten, den Ganztag und Schulversuche. In Art. 29 wird die Sekundarstufe I beschrieben. Die Schularten werden bezogen auf die jeweiligen Abschlüsse beschrieben und (zum ersten Mal) auf die Verwendung der traditionellen Schulartbezeichnungen verzichtet. Auch werden Schularten, die zu mehreren Schulabschlüssen führen, gleichberechtigt neben den im traditionellen Sinne reinen Haupt-, Realschulen und Gymnasien aufgeführt. Zu weitergehenden Regelungen etwa (abschlussbezogenen) Bildungsstandards, gemeinsamen Abschluss-Regelungen, länderübergreifende Bezeichnungen für die Sek I-Schularten verpflichten sich die Länder.

Im Abschnitt Lehrerbildung (Art. 34 bis 38) werden nur wenige konkrete Festlegungen getroffen. Im wesentlichen werden Absichten über die Ausgestaltung in jeweiliger Landesverantwortung erklärt sowie ein gemeinsamer Rahmen und die gegenseitige Anerkennung der Lehramts-Studiengänge und -Prüfungen vereinbart.
Bei einigen Themen sind gegenüber den bisherigen Regelungen Weiterentwicklungen bzw. Öffnungen zu erkennen: Bildungs-/Erziehungsziele, Inklusion – wenn auch mit Einschränkungen, lebenslanges Lernen, Formen der Leistungsbewertung, Verzicht auf die Verwendung der traditionellen Schulartenbezeichnungen. Befremdlich ist allerdings die Reihenfolge der Abschnitte, insbesondere die Qualitätssicherung an den Anfang zu stellen. So entsteht der Eindruck, dass die Zielsetzungen des Schulsystems den Maßnahmen zu Qualitätssicherung untergeordnet sind und nicht die Qualitätssicherung dem Erreichen der Ziele verpflichtet ist. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass sich die Qualitätssicherung (fast) ausschließlich mit den kognitiven Fähigkeiten beschäftigt, die jedoch nur in einem der acht formulierten Ziele zentral ist.

Dem Beschluss zu den Politischen Vorhaben kommt eine besondere Bedeutung zu: Eine Reihe von Regelungen in der Ländervereinbarung sind noch offen gelassen und der weiteren Beschlussfassung zugewiesen. Das betrifft Regelungen u.a. die Sekundarstufen I und II sowie die Lehrerbildung – Themen, die für die Weiterentwicklung der Schule für alle nicht unwichtig sind. Für die Sekundarstufe I ist bis 2022 eine grundlegende Überarbeitung der Vereinbarung über die Schularten und Bildungsgänge beabsichtigt. Neu geregelt werden sollen u.a. die Strukturierung des Sekundarbereichs I nach Bildungsgängen, die Fachleistungsdifferenzierung in den Schularten mit mehreren Bildungsgängen sowie Anforderungen für den Erwerb von Schulabschlüssen. Es stehen also noch Auseinandersetzungen ins Haus.
Mit den drei Vereinbarungen hat sich der GGG-Bundesvorstand näher beschäftigt und hierzu eine ausführliche Stellungnahme abgegeben und ist in ein Gespräch mit der KMK und den Kultusministerien eingetreten.

LOTHAR SACK

 

Stellungnahme der GGG zur KMK-Ländervereinbarung  vom 15.10.2020

KMK setzt falsche Prioritäten – weder Bildungsgerechtigkeit noch Zukunftsfähigkeit unseres Bildungssystems stehen im Fokus! Wir sehen dennoch Perspektiven!

Diese KMK-Ländervereinbarung ist so kein Fortschritt. Als habe es die Corona-Pandemie mit den dabei in den Fokus gerückten überwiegend schon lange bekannten Mängeln des deutschen Bildungssystems nicht gegeben, wird in einem Zustand eines „buiseness as usual“ verharrt. Die in einer Zusatzvereinbarung beschriebenen politischen Vorhaben sollen zu mehr Qualität und Transparenz, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit führen, ignorieren aber die wahren Missstände unseres Bildungssystems.

  • Bildungsgerechtigkeit wird im Wesentlichen auf die Vergleichbarkeit von Abschlüssen reduziert und nicht auf den inakzeptablen Zusammenhang von sozialer Herkunft und Schulerfolg bezogen. Seit 2001 wird Deutschland im Rahmen der PISA-Untersuchungen eine entsprechende Schieflage bei der Bildungsgerechtigkeit attestiert, ohne dass bisher eine angemessene Reaktion darauf erfolgt ist.
  • Inklusion wird auf ein schulisches Angebot verkürzt und nicht als zentrale Aufgabe einer inklusiven Gesellschaft zur Verwirklichung des Rechtes aller Menschen, insbesondere auch von Kindern u.a. gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention, der UN-Kinderrechtskonvention und des Gleichbehandlungsgebotes unseres Grundgesetzes.
  • Unerschlossen bleibt für uns, warum in der Gliederung des Abschnitts II. die Qualitätssicherung vor die inhaltlichen Ziele gestellt wird. Hierin kommt eine merkwürdige Prioritätensetzung zum Ausdruck. Eigentlich sollte die Qualitätssicherung den inhaltlichen Zielen verpflichtet sein. Darauf fußend können dann Kriterien für das Erreichen der Ziele formuliert werden. Dabei müssen alle Ziele abgedeckt werden. Diese falsche Reihenfolge wird noch einmal besonders deutlich bei der Formulierung der „Politischen Vorhaben“. Dort spielen bei der Qualitätssicherung die Ziele des Bildungssystems überhaupt keine Rolle. Richtig verstanden hat Qualitätssicherung eine dienende Aufgabe und ist kein von den formulierten Zielen losgelöster Selbstzweck.

Insgesamt geht es um Normierung und nicht um Vielfalt, was insofern widersprüchlich ist, weil in der Folge der PISA-Ergebnisse mit der Einführung von zentralen Abschlussprüfungen und der Verabschiedung von abschlussbezogenen Bildungsstandards eine Umorientierung der Steuerung des deutschen Bildungssystems erfolgt ist: weg von einer Inputsteuerung, hin zu einer Outputsteuerung. In diesem Kontext sind dezidierte Regelungen nicht nur überflüssig sondern auch systemisch falsch. Unsere Schulen brauchen Freiräume und keine Gängelung. Zu schaffen ist ein „Lernumfeld, in dem sich alle Kinder und Jugendlichen bestmöglich entfalten und einbringen können“ (Art. 12 (2)).

Die in Artikel 10 genannten allgemeinen Bildungs- und Erziehungsziele entsprechend weitgehend unseren Vorstellungen. Nicht gesehen wird allerdings, dass diese nur mit der einen gemeinsamen Schule für alle Kinder realisierbar sind. Eine Entwicklungsperspektive würde durch eine klare Trennung zwischen den Schulen des gemeinsamen Lernens und den Schulformen des selektiven Systems aufgezeigt. Die Unübersichtlichkeit der Schulformen wird durch die beabsichtigte Angleichung der Schulformbezeichnungen nicht abgebaut.

Wir brauchen eine grundlegende Bildungsreform. Darauf hat die GGG bereits mit einem Aufruf im September 2020 hingewiesen. Nur so kann unser Schulsystem zukunftsfähig und gerechter werden. Darum fordern wir die Einrichtung eines Bildungsrates für Bildungsgerechtigkeit bzw. einer Bürgerversammlung unter Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppierungen. Die von der KMK vereinbarte Einrichtung einer „Ständigen wissenschaftlichen Kommission“ kann nach Konstruktion und Auftrag diesen Anspruch nicht erfüllen.

Die von der KMK als zukunftsweisend vorgestellte Ländervereinbarung und die daraus abgeleiteten politischen Vorhaben führen so nicht in die Zukunft. Nutzen wir die darin dennoch aufgezeigten Perspektiven. Zum Beispiel:

  1. In Artikel 11(1) der Ländervereinbarung wird zu Recht darauf hingewiesen, dass es eine Aufgabe von besonderer Bedeutung sei, gleiche Chancen für alle Schülerinnen und Schüler zu sichern. Nationale Bildungsziele wie z.B. die Halbierung der Anzahl der
    Schüler*innen ohne Schulabschluss sowie die Reduzierung der Abhängigkeit des Bildungserfolges von der Herkunft auf ein mit anderen Ländern vergleichbares Niveau mit jeweils zeitlichen Vorgaben für das Erreichen sollten als erste Schritte in Angriff genommen werden. Auch ein politisches Vorhaben z.B. durch ein Aufgreifen des Themas in der Bildungskommission aber auch in einem externen Bildungsrat könnte weiter helfen.
  2. Gleiches gilt für die Inklusion. In Artikel 12(2) erfolgt ein Bekenntnis zum Grundsatz der Inklusion als umfassendes Konzept menschlichen Zusammenlebens, insbesondere auch für die schulische Bildung. Die Umsetzung in den einzelnen Bundesländern ist in dieser Hinsicht sehr unterschiedlich und wird bisher noch in keinem Bundesland dem Anspruch gerecht. Auch hier fehlt ein politisches Vorhaben mit deutlichen Zielsetzungen.
  3. In Bezug auf die Vorgaben für die Fachleistungsdifferenzierung wird in den politischen Vorhaben für den Sekundarbereich I auf einen Klärungsbedarf bezüglich der Fachleistungsdifferenzierung in den Schularten mit mehreren Bildungsgängen ver-
    wiesen. Hier erwarten wir, dass die Gestaltungsspielräume der Länder durch eine Aufhebung der Verpflichtung zur äußeren Fachleistungsdifferenzierung und Zuordnung der Schülerinnen und Schüler zu einem Bildungsgang erweitert werden. Dann bedarf es auch keiner Ausnahmeregelungen mehr und es entspräche der schon in vielen Bundesländern erfolgreichen Praxis zahlreicher Schulen, u.a. auch von Schulpreisschulen.
  4. Die in Artikel 26 (3) ausgeführte Ermöglichung für die Länder andere Formen der Leistungsbewertung als Zensuren vorsehen zu können, begrüßen wir.
  5. In Artikel 32 der Ländervereinbarung wird als vorrangiges Ziel der Länder der flächendeckende und bedarfsgerechte Ausbau von Ganztagsangeboten in allen Schularten angesprochen, u.a. um eine Verbesserung von Chancen- und Teilhabegerechtigkeit in Schule und Gesellschaft zu erreichen. Die dabei in Artikel 32 (3) vorgesehene Perspektive in Bezug auf den weiteren Ausbau von Ganztagsschulen halten wir nicht für ausreichend genug. Ein qualitativer Schritt in Richtung Bildungsgerechtigkeit wird nur dann möglich sein, wenn die Zielsetzung eines pädagogischen Ganztags für alle in den Blick genommen wird.

Die GGG bietet sich an, mit ihrer Expertise beratend an der Ausprägung, Umsetzung und Weiterentwicklung der politischen Vorhaben der KMK mitzuwirken. Dies gilt insbesondere für die in Aussicht gestellten Anhörungen der „Ständigen wissenschaftliche Kommission“.

Der Bundesvorstand

 

Wir mischen uns ein (DSfa 2021/2)

  • Dieter Zielinski
    Zu den Aufgaben der GGG gehört es, mit Parlamenten, Regierungen, Verwaltungen, Schulträgern, Parteien, Verbänden, Gewerkschaften und Initiativen zusammenzuarbeiten und dabei
    die eigenen Ziele sowie die Interessen der bereits bestehenden Schulen des gemeinsamen Lernens zu vertreten. In diesem Artikel gebe ich einen Einblick in die aktuellen Aktivitäten des Bundesvorstandes. Bildungsfragen erfahren zurzeit eine hohe Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Schwerpunkte sind u.a. das Ringen um den richtigen Weg zwischen gesundheitsschützenden und pädagogisch ausgerichteten Maßnahmen, der Aspekt der sozial bedingten Bildungsbenachteiligung sowie die aus den Einschränkungen des Bildungsbetriebes verursachten Lernrückstände der Schülerinnen und Schüler. Auch wenn Bildungspolitik unter die Kulturhoheit der Bundesländer fällt und Antworten dort gesucht und gefunden werden müssen, werden die Diskussionen mit der Zielsetzung eines möglichst einheitlichen Vorgehens ebenso intensiv auf der Bundesebene geführt, so z.B. in den zentralen Nachrichtensendungen der Fernsehanstalten. In diesem Sinne haben der Bundesvorstand der GGG wie auch einige Landesverbände mit Stellungnahmen und Presseinformationen z.B. zu den Themen „Empfehlungen zur Durchführung von Abschlussprüfungen im Schuljahr 2020/21“ sowie zur „Wiederaufnahme des Schulbetriebs nach den Weihnachtsferien in den Bundesländern“ versucht, den GGG-Positionen Gehör zu
    verschaffen.Covid-19: Pandemie und Folgerungen
    In unserer Stellungnahme zum Papier der Friedrich-Ebert-Stiftung „Lehren aus der Pandemie: Gleiche Chancen für alle Kinder und Jugendlichen sichern“ war es uns wichtig zu betonen, dass ein Konzept zur Aufhebung von Bildungsbenachteiligungen, insbesondere dann, wenn es sich um eine langfristig angelegte Perspektive handelt, nicht allein auf die Kompensation von Lernrückständen und Sicherung von Mindeststandards fokussiert sein darf. Unser Bildungssystem wird nur dann einen erfolgreichen Beitrag zur Aufhebung von Bildungsbenachteiligung leisten können, wenn das System insgesamt eine entsprechende Orientierung hat. Dazu ist es erforderlich, dass der Bildungsauftrag von Schule erneut in den Blick genommen und neu justiert wird. Mit unserem Aufruf zu einer grundlegenden Bildungsreform sowie einem Impulspapier mit zehn in die Zukunft weisenden Impulsen (siehe DSfa 2020/1) haben wir entsprechende Anregungen gegeben. In den aktuellen Debatten sehen wir eine Chance, unserem Ziel, das wir mit vielen anderen in der Zivilgesellschaft teilen, einen Schritt näher zu kommen. Dabei werden wir uns nicht auf die Politik verlassen können. Was wir jetzt brauchen ist eine groß angelegte gesellschaftliche Debatte um die Schule für das 21. Jahrhundert. Leider hat sich unsere Hoffnung auf einen Bildungsrat für Bildungsgerechtigkeit nicht erfüllt. Aber die die Montag Stiftung Denkwerkstatt hat sich erfreulicherweise des Themas angenommen und einen Bürgerrat Bildung und Lernen ins Leben gerufen. Wir unterstützen diesen Bürgerrat und fordern zur Beteiligung auf.GGG im Bündnis aktiv
    Auch im Bündnis „Eine für alle – Die inklusive Schule für die Demokratie“ mit GEW, GSV, ‚Aktion Humane Schule‘ und ‚Politik gegen Aussonderung‘ arbeitet die GGG, weiter vertreten durch Gerd-Ulrich Franz, kontinuierlich daran, die Idee der „inklusiven Schule für die Demokratie“ wirksam in die Öffentlichkeit zu bringen. Eine Veranstaltung zu 100 Jahre Reichsschulkonferenz musste zwar 2020 coronabedingt ausfallen. Die Planung, mit dem „Legislativen Theater Berlin“ gezielt bildungspolitische Akteure in Berlin anzusprechen, hoffen wir nun im Jahr 2021 umsetzen zu können. Passend hierzu wird gerade als Heft 7 der Schriftenreihe des Bündnisses eine Broschüre mit dem Titel „100 Jahre Schulreform in Deutschland – Eine (un)endliche Geschichte“ fertiggestellt. Die Verbände wollen in einem Videotreffen beraten, ob und wie künftig das traditionelle „Himmelfahrtstreffen“ stärker in eine gemeinsame strategische Bündnisarbeit eingebunden
    werden könnte.

    KMK-Ländervereinbarung
    Neben den aktuellen Diskussionen um Bildungsfragen läuft, von der Öffentlichkeit nur am Rande wahrgenommen, die „Alltagsarbeit“ in den Bildungsadministrationen weiter. So auch auf der Ebene der Kultusministerkonferenz. Diese legte am 15.10.20 nach langer Vorarbeit eine „Ländervereinbarung über die gemeinsame Grundstruktur des Schulwesens und die gesamtstaatliche Verantwortung der Länder in zentralen bildungspolitischen Fragen“ vor und ergänzend dazu Politische Vorhaben zur Ländervereinbarung. Über die Inhalte berichtet Lothar Sack in diesem Heft.
    Führte noch die Veröffentlichung durch die KMK zu deutlichen Reaktionen in der Presse und Erklärungen von Gewerkschaften und Verbänden, istes mittlerweile still darum geworden. Dennoch werden die Vereinbarung und die noch zu verhandelnden Vorhaben weitreichende Konsequenzen für die Ausrichtung unseres Schulsystems und die Arbeit in unseren Schulen haben.

    KMK setzt falsche Prioritäten!
    In unserer Stellungnahme „KMK setzt falsche Prioritäten – weder Bildungsgerechtigkeit noch Zukunftsfähigkeit unseres Bildungssystems stehen im Fokus! Wir sehen dennoch Perspektiven!“ haben wir unsere grundlegenden Einschätzungen dargelegt.
    Die KMK-Ländervereinbarung ist so kein Fortschritt. Als habe es die Corona-Pandemie mit den dabei in den Fokus gerückten überwiegend schon lange bekannten Mängeln des deutschen Bildungssystems nicht gegeben, wird in einem Zustand des „business as usual“ verharrt. Die in einer Zusatzvereinbarung beschriebenen politischen Vorhaben sollen zu mehr Qualität und Transparenz, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit führen, ignorieren aber die wahren Missstände unseres Bildungssystems.

    „Bildungsgerechtigkeit wird im Wesentlichen auf die Vergleichbarkeit von Abschlüssen reduziert und nicht auf den inakzeptablen
    Zusammenhang von sozialer Herkunft und Schulerfolg bezogen.

  • „ Inklusion wird auf ein schulisches Angebot verkürzt und nicht als zentrale Aufgabe einer inklusiven Gesellschaft zur Verwirklichung des Rechtes aller Menschen, insbesondere auch von Kindern u.a. gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention, der UN-Kinderrechtskonvention und des Gleichbehandlungsgebotes unseres Grundgesetzes.
  • „ Unerschlossen bleibt für uns, warum in der Gliederung des Abschnitts II. die Qualitätssicherung vor die inhaltlichen Ziele gestellt wird. Hierin kommt eine merkwürdige Prioritätensetzung zum Ausdruck. Eigentlich sollte die Qualitätssicherung den inhaltlichen Zielen verpflichtet sein. Darauf fußend können dann Kriterien für das Erreichen der Ziele formuliert werden. Dabei müssen alle Ziele abgedeckt werden. Diese falsche Reihenfolge wird noch einmal besonders deutlich bei der Formulierung der „Politischen Vorhaben“. Dort spielen bei der Qualitätssicherung die Ziele des Bildungssystems überhaupt keine Rolle.„ Insgesamt geht es um Normierung und nicht um Vielfalt, was insofern widersprüchlich ist, weil in der Folge der PISA-Ergebnisse mit der Einführung von zentralen Abschlussprüfungen und der Verabschiedung von abschlussbezogenen Bildungsstandards eine Umorientierung in der Steuerung des deutschen Bildungssystems erfolgt ist: weg von einer Inputsteuerung, hin zu einer Outputsteuerung. In diesem Kontext sind dezidierte Regelungen nicht nur überflüssig, sondern auch systemisch falsch. Unsere Schulen brauchen Freiräume und keine Gängelung. Zu schaffen ist ein „Lernumfeld, in dem sich alle Kinder und Jugendlichen bestmöglich entfalten und einbringen können“.

Wir wollen unsere Expertise einbringen und die Entscheidungen in unserem Sinne beeinflussen. Deshalb haben wir in einem Anschreiben an die Präsidentin der KMK, den Generalsekretär und Leiter der KMK, an die in Bildung, Wissenschaft und Kultur zuständigen Ministerinnen und Minister bzw. Senatorinnen und Senatoren sowie die Mitglieder der Amtschefkonferenz der KMK unsere Bereitschaft zur Beratung angeboten sowie auf zentrale für uns wichtige Orientierungen hingewiesen. Noch ist die Resonanz gering. Immerhin hat Frau Dr. Hubig, KMK-Präsidentin 2020,
reagiert und uns dabei auf die Arbeit der neu einzurichtenden wissenschaftlichen Kommission verwiesen. Wir werden am Ball bleiben und auch das Gespräch mit der neuen KMK-Präsidentin suchen, die in einem Interview in der Sendung „Berlin direkt“ am 17.1.21 ihre Bereitschaft zu einem solchen Gespräch geäußert hat. Sie sagte, „wir stellen uns gerne der öffentlichen Kritik. Wir freuen uns auf den Dialog.“ Genauso wichtig wird es sein, in den einzelnen Bundesländern das Gespräch mit den dortigen Verantwortlichen zu suchen. Hier setzen wir auf die Arbeit unserer Landesverbände. Alle hier angesprochenen Unterlagen zur KMK-Ländervereinbarung befinden sich auf unserer Homepage.