GGG Mitgliederversammlung 2006 (Braunschweig)

Samstag, 18. Nov. 2006, 11.00 – 16.00 Uhr
IGS Querum, Essener Straße 85, 38198 Braunschweig

 

Strukturänderung der GGG

Was den Bildungspolitikern der Bundesrepublik Deutschland schwer fällt – die GGG packt sie an, die Strukturänderung.

Auf dem Weg zu einer effektiveren Verbandsstruktur hat die Mitgliederversammlung am 18. November 2006 in Braunschweig den Vorstand nach sehr engagierter, offener und ehrlicher Aussprache einstimmig beauftragt, die vorgestellten Überlegungen weiterzuentwickeln, die vorbereitenden Schritte einzuleiten und die abschließende Beschlussfassung im Herbst 2007 bei der Mitgliederversammlung im Rahmen des Bundeskongresses in Saarbrücken vorzubereiten und durchzuführen.

Worum geht es?

Wie bei vielen ehrenamtlich geführten Verbänden ist abzusehen, dass der „Nachwuchs“ weniger wird, ein Blick in die Landesverbandsvorstände der GGG bestätigt diese Tendenz. Und eben aus diesen schöpft auch der Bundesverband seine Aktiven. Die „Schlagkraft“ der Ehrenamtlichen, die Möglichkeiten für spontane Stellungnahmen und flexible Teilnahme an Veranstaltungen, Anhörungen und Fachgesprächen sind eingeschränkt. Durch einen hauptamtlichen Geschäftsführer und gleichzeitig bildungspolitischen Referenten hätte die GGG eine kontinuierlich für die vielfältigen Verbandsaufgaben verantwortliche Person, die schnell in den politischen Raum hinein agieren und reagieren kann, den Mitgliederbestand stabilisiert und ausbaut, den Vorstand bei seiner Arbeit berät und unterstützt.

Die Geschäftsstelle in Aurich steht auf zweierlei Weise zur Disposition. Unsere langjährige zuverlässige Mitarbeiterin Christel Scher geht zum Jahr 2008 in den Ruhestand. Die von ihr derzeitig ausgeübten Tätigkeiten wären vom Geschäftsführer mit zu übernehmen. Die Räumlichkeiten müssen gewechselt werden, weil das Haus, in dem sich die Geschäftsstelle zur Zeit befindet, in den Besitz einer Erbengemeinschaft übergegangen ist und es zu erwarten ist, dass die Immobilie – in hervorragender Geschäftslage Aurichs – demnächst anderweitig vermarktet wird.

Mit der Einsetzung eines hauptamtlichen Geschäftsführers lassen sich für die GGG diese Probleme konstruktiv bewältigen. Die Bedenken, der Verband könne durch eine Person unkontrolliert dominiert werden, sind unbegründet. Nach wie vor wird die Mitgliederversammlung den Vorstand wählen und ihn kontrollieren, die Vertreter der Länder werden im Hauptausschuss beraten. Der Geschäftsführer wird im Auftrage des Vorstands und damit der Mitgliedschaft handeln.

Erstmalig wurden Überlegungen zu dieser Strukturänderung der Mitgliederversammlung beim Kongress 2005 im Kleinmachnow vorgestellt und unter Einbeziehung der Diskussionsbeiträge auch im Hauptausschuss weiterentwickelt. Der Auftrag der MV in Braunschweig bestätigt diesen Vorgang, über den im Herbst 2007 die MV in Saarbrücken abschließend befindet. Die Weiterentwicklung unseres Gesamtschulverbandes wird dann eingeleitet.

 

Resolution der GGG (Braunschweiger Resolution)

beschlossen von der GGG-Mitgliederversammlung

am 18.11.2006 in der Gesamtschule Braunschweig – Querum

 

Mit der Gesamtschule zur einen Schule für alle Kinder!

In einer bildungspolitischen Situation, geprägt von

• vielfachen Versuchen und Maßnahmen der materiellen und moralischen Diskriminierung der Gesamtschule durch mehrere Landesregierungen, sie tragende Parteien und einen Teil der Presse,

• fortbestehender Verweigerung von Chancengleichheit für alle Kinder im Schulsystem;

• einer zunehmenden Krise des gegliederten Schulsystems, die sich an der Situation der Hauptschule manifestiert;

• gesetzgeberischen Planungen, die die Existenz der Gesamtschulen bedrohen,

bestätigt die GGG ihren klaren Kurs und ihre Forderung nach einer gemeinsamen Schule für alle Kinder bis zum Ende der Pflichtschulzeit. Diese Schule ist die allgemeine Schule für alle Kinder eines Einzugsbereiches, einschließlich derer, die heute das Gymnasium besuchen und derer, die heute die Förderschulen besuchen. In ihr finden alle Lernenden die gute, unbedingte, selbstverständliche Lernumgebung bis zu ihrem Schulabschluss, die individuelle Förderung, derer sie bedürfen, und das fachlich gebildete Personal, das dies ermöglichen kann.

Gegen das zweigliedrige Schulsystem

Damit erklärt die GGG allen Strategien eine klare Absage, die ein zweigliedriges Schulsystem zum Ziel haben.

Dort, wo heute schon „Zweigliedrigkeit“ realisiert ist, stellt sie sich im Innern als faktische Mehrgliedrigkeit dar.

Sie löst weder das Problem der Hierarchie der Schulformen noch das Problem der Integration behinderter Kinder noch das der Absonderung der Gymnasien.

Sie löst kein inhaltliches Problem der deutschen Schule. Die Ungleichheit der Lernangebote und der Bildungschancen bleibt bestehen. Alle Versprechen auf Förderung und Durchlässigkeit sind leer. Denn sie sind nachweisbar in mehreren Bundesländern durch die Praxis widerlegt.

Die Gesamtschule verweigert sich jedem Versuch ihrer Reduzierung innerhalb des Schulsystems. Sie ist und bleibt die Alternative zum gegliederten Schulsystem in seiner Gesamtheit, das sie ersetzt. Unter dem Markenzeichen „Gesamtschule“ trägt sie dazu bei, über die aktuelle Mehrgliedrigkeit hinaus die eine Schule für alle Kinder vorzubereiten.

Ziele und Leistungen der Gesamtschule

Die Gesamtschule ist die Schulform, die ihrem Bildungsauftrag und ihrem Selbstverständnis entsprechend allen Kindern nach Abschluss der Grundschule offen steht und sie in vielfältigen Formen gemeinsam bestmöglich fördert.

Sie muss dies unter den Bedingungen der Systemkonkurrenz, ohne entsprechende Lehrerausbildung, bei harter Begrenzung integrativer Arbeitsmöglichkeiten durch die KMKVereinbarung leisten. Was die Gesamtschulen unter solchen Arbeitsbedingungen dennoch leisten, ist empirisch nachgewiesen und vielfach dokumentiert. Es verdient alle Anerkennung und Hochachtung. Die GGG betont und würdigt diese Leistungen öffentlich.

Immer wieder sind Gesamtschulen mit der öffentlichen Abwertung ihrer Arbeit konfrontiert. Die GGG tritt der verfälschenden Darstellung und Verkürzung der Gesamtschulleistungen überall dort entgegen, wo sie ihr begegnen.

Auch schon als Schule in der Systemkonkurrenz sind Gesamtschulen sehr erfolgreich bei der Erreichung hoher Lernzuwächse und der Persönlichkeitsbildung der Schüler und Schülerinnen. Dies zeigt sich

• in der positiven Annahme der Vielfalt der Kinder als gleichberechtigte Menschen • in dem Bemühen, allen Lernenden individuelle Zugänge zum Lernen zu bieten

• in dem Bemühen, kein Kind zurückzulassen, sondern ihnen den Erwerb all der Grundfähigkeiten zu ermöglichen, durch die sie ein selbstständiges, selbst bestimmtes Leben in der Gesellschaft führen können

• in der weitgehenden Entwicklungsoffenheit der Gesamtschule für jedes Kind

• in der unterstützenden Grundhaltung der Schule

• in der Öffnung der Schule und ihrer Vernetzung im Stadtteil

• in ihrer Schulentwicklung, die sie zur lernenden Schulen macht.

Gesamtschulen sind nachgefragte Schulen und lernende Schulen

Seit Gründung der ersten Gesamtschulen im Jahr 1969 haben Gesamtschulen sich Konzepte zur Realisierung der pädagogischen Ziele und Ansprüche gegeben. Sie haben sie erfahrungsoffen gestaltet und weiter entwickelt. Ihre pädagogische Arbeit überzeugt, so dass Jahr für Jahr der Elternwunsch nach Gesamtschulplätzen die Nachfrage bei Weitem übersteigt. Hunderte neuer Gesamtschulgründungen wären erforderlich, um dem Elternwillen zu entsprechen, der nun Jahr für Jahr unberücksichtigt bleibt.

Viele der an Gesamtschulen entwickelten pädagogischen Innovationen strahlen weit über den Gesamtschulbereich hinaus aus, fanden und finden den Weg in andere Schulformen. Doch Gesamtschulen bleiben aktive Träger ihrer eigenen Weiterentwicklung, über die allgemeinen amtlichen Anforderungen hinaus.

Aus Sicht der GGG sind dabei folgende Schwerpunkte von besonderer Bedeutung:

• Die Fachleistungsdifferenzierung. Gesamtschulen in fast allen Bundesländern sind schon auf dem Weg, die äußere Fachleistungsdifferenzierung in Kursen durch die klasseninterne Differenzierung zu überwinden. Hier öffnet sich ein neues, lange erhofftes Entwicklungsfeld. Es ermöglicht es den Gesamtschulen erstmals, die Anerkennung der Schulabschlüsse sicher zu stellen und gleichzeitig auf die äußere Differenzierung in festen Kursen verzichten zu können. Erste Evaluationen bestätigen die erwarteten Verbesserungen im Leistungs- und im sozialen Bereich. Die GGG ermutigt und unterstützt alle Gesamtschulen, sich diesen Möglichkeiten zu öffnen.

• Der Ausbau zur Ganztagsschule. In mehreren Bundesländern sind Gesamtschulen noch

überwiegend Halbtagsschulen. Auch dort, wo entsprechende Programme der Landesregierungen den Ausbau in der Sekundarstufe I ermöglichen, sind noch nicht alle Gesamtschulen auf dem Weg zur Ganztagsschule. Aber es werden auch viele Anträge schon überzeugter Gesamtschulen nicht in die Förderprogramme des jeweiligen Landes aufgenommen. Die Umgestaltung des Schulsystems hin zu einem Ganztagssystem sollte durch die Gesamtschulen möglichst breit und aktiv eingefordert und mitgetragen werden.

• Der Umgang mit Standardorientierung und zentralen Prüfungen. Von diesen neuen Steuerungselementen geht – nicht nur in Gesamtschulen – die große Gefahr der zu starken Fokussierung schulischer Arbeit auf die Prüfungsfächer aus. Gesamtschulen setzen sich aktiv der Verengung der Schule auf die Hauptfachschule entgegen und halten die Förderung der ganzen Persönlichkeit der Lernenden im Blick. Dies ist eine bleibende Herausforderung, der es sich immer wieder zu vergewissern gilt.

• Auf diese Weise leisten Gesamtschulen fortwährend einen Beitrag zur Realisierung des längeren gemeinsamen miteinander und voneinander Lernens.

Doch keine Qualität schulischen Arbeitens wird aus sich selbst heraus zur gemeinsamen Schule für alle führen. Dies bleibt eine politische Aufgabe, der sich die GGG mit aller Kraft und in Kooperation mit vielen Gleichgesinnten annimmt. Sie integriert in diese politische Zielsetzung die Erfahrungen und die Leistungen der Gesamtschulen. Gemeinsam mit ihnen, unter Verweis auf ihre Stärken stellt sie im politischen Bereich die Lobby dar, die als nächsten Schritt der Schulentwicklung die Weiterführung und Vollendung, kurz die „Aufhebung“ der Gesamtschule in der einen gemeinsamen Schule für alle Kinder bis zum Ende der Pflichtschulzeit und die gleichzeitige Anpassung aller Rahmenbedingungen an das neue Bildungssystem fordert.