Joachim Lohmann
Weiland verrät das Prinzip der Chancengleichheit und verschiebt die gemeinsame Schule für alle auf den Sankt-Nimmerleinstag
Dieter Weiland lehnt die zur Mitgliederversammlung vorgelegte Namensänderung aus drei Gründen ab:
- Die Vertragsgrundlage der Schulen des gemeinsamen Lernens in einer gleichberechtigten 2-Gliedrigkeit sei die endgültige Hinnahme bzw. Akzeptanz dieser 2-Gliedrigkeit,
- die Hierarchie in der gleichberechtigten 2-Gliedrigkeit lasse die Schule des gemeinsamen Lernens zur Restschule verkümmern und
- mit der Namensänderung distanziere sich die GGG von dem Ziel einer gemeinsamen Schule für alle.
- Weilands These zur Vertragsgrundlage ist unredlich: die einzige Vertragsgrundlage der 2-Gliedrigkeit sind die jeweiligen Landesschulgesetze. Die gleiche Vertragsgrundlage besteht für die Gesamtschule in der 3-Gliedrigkeit. Keiner wird der Gesamtschule jetzt noch unterstellen, dass sie mit ihrer Aufnahme ins Schulgesetz als Regelschule ein um die Gesamtschule ergänztes Vertikalsystem akzeptiert hat, obwohl es diese Diskussion zunächst gegeben hatte.
Es ist infam, den Schulen des gemeinsamen Lernens zu unterstellen, dass sie mit der gesetzlichen Realisierung der gleichwertigen, konkurrierenden 2-Gliedrigkeit den Fortbestand des Gymnasiums akzeptiert hätten. - Weiland lehnt die gleichberechtigte 2-Gliedrigkeit ab, weil in ihr die Schulen des gemeinsamen Lernens zur Restschule verkümmern würden. Denn in diesen Schulen des gemeinsamen Lernens würden die Probleme der Hauptschule kulminieren. Weiland will den Fortbestand der Hauptschulen, um die Schulen des gemeinsamen Lernens von (sozial) schwachen Schülern zu entlasten. Damit werden die Hauptschülerinnen und -schüler geopfert – zugunsten eines besseren Status der Gesamtschule. Dies ist ein Verrat an der Intention der Gesamtschule – an der Chancengleichheit.
Mit dieser Position diskriminiert Weiland die sozial Schwächsten zusätzlich, indem er sie für die Leistungsschwächen verantwortlich macht. Die Position ist zudem weitgehend unwahr. Für eine leistungsschwache Schulen sind die Leistungsschwäche von Schülerinnen und Schüler nur im geringen Maße verantwortlich; verantwortlich ist vielmehr weitaus stärker die Schule und ihr gesellschaftlicher Status. In Deutschland beruht die Leistungsschwäche einer Schule vor allem auf seiner Schulform im Vertikalsystem, dieses vor allem produziert geringere Leistungen an den Förder- und Hauptschulen, wie es sich aus PISA ergibt.
Die Schulen des gemeinsamen Lernens verstehen sich mit einem umfassenden Erziehungs- und Gesellschaftsauftrag: Sie wollen zu einer umfassenden gesellschaftlichen und politischen Teilhabe aller erziehen und mehr Gleichheit fördern. Wenn sie – wie von Weiland vertreten – aus opportunistischen Gründen diese Intentionen im Alltag verraten würden , würden sie ihre Überzeugungskraft verlieren, um der Chancengleichheit willen für eine gemeinsame Schule für alle einzutreten. - Nach Weilands Argumentation akzeptiert die GGG mit der Namensänderung die 2-Gliedrigkeit grundsätzlich oder nimmt sie zumindest hin. Das Gegenteil ist richtig: Mit Weilands Ablehnung der gleichberechtigten 2-Gliedrigkeit wird die gemeinsame Schule für alle auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Denn wer Haupt- und Realschule nicht generell zugunsten einer Schulen des gemeinsamen Lernens aufheben will, muss auf Einzelgründungen von Gesamtschulen setzen. Da dies leider bisher in den allerseltensten Fällen zur Aufhebung von Gymnasien führte, ist auch bei dieser Strategie die 2-Gliedrigkeit unvermeidbar, die 2-Gliedrigkeit rückt aber in eine unabsehbare Ferne. Zudem würde inzwischen das Gymnasium voraussichtlich weiter gestärkt und vielen Jugendlichen inzwischen als Hauptschüler eine angemessene Zukunft geraubt.
Weiland unterschätzt, wie die neue Quantität in eine neue Qualität umschlägt: In der gleichwertigen 2-Gliedrigkeit ist die Schule des gemeinsamen Lernens nicht mehr in einer Minderheitenposition, sondern wird mindestens gleich stark wie das Gymnasium besucht. Ihre Belange kann sie viel stärker zur Geltung bringen.
So wurden mit der Errichtung der gleichberechtigten, konkurrierenden 2-Gliedrigkeit einerseits die Selektionskultur des Gymnasium rechtlich eingeschränkt und andererseits die Schulen des gemeinsamen Lernens aufgewertet und rechtliche Selektionsvorschriften gelockert. So wird in den Stadtstaaten und Schleswig-Holstein das Sitzenbleiben und die Abschulung am Gymnasium beschnitten und alle Schulen können in Schleswig-Holstein bis Ende 8. Schuljahr auf Ziffernzensuren und -zeugnisse verzichten. In den 4 Ländern entfällt die Verpflichtung zur äußeren Leistungsdifferenzierung für die Schulen des gemeinsamen Lernens, und in Bremen werden Bildungsgänge und Abschlüsse in Schulen des gemeinsamen Lernens wie im Gymnasien fast identisch formuliert. In Schleswig-Holstein wird der Stufenlehrer eingeführt und die Lehrerbildung nicht mehr nach Schulformen differenziert. Insgesamt erhalten die Schulen des gemeinsamen Lernens in der gleichwertigen 2-Gliedrigkeit mehr pädagogischen Spielraum und ihre Prinzipien werden schrittweise auf das Gymnasium übertragen.
Wer wie Weiland die gleichwertige, konkurrierende 2-Gliedrigkeit abwenden will, verhindert die gemeinsame Schule für alle auf unabsehbare Zeit. Wer gegen die Namensänderung der GGG ist, schwächt diese als Sprachrohr aller Schulen des gemeinsamen Lernens und damit die Durchsetzung der gemeinsamen Schule für alle.